Adamsberg hat ein altes, kleines Haus mitten in Paris erworben. Der Nachbar Lucio Velasco Paz fragt ihn, ob es ihn nicht stutzig gemacht habe, dass sechs Jahre lang kein Käufer gefunden worden war und erzählt ihm von der Geschichte des Hauses: Im 18. Jahrhundert lebte hier eine Nonne, die sich "heilige Clarisse" nannte und alten Frauen gegen Bezahlung das Paradies versprach. Wenn diese mit dem Geld zu ihr kamen, schnitt sie ihnen die Kehle durch. Am 3. Januar 1771 wurde die Sechsundzwanzigjährige wieder von einer Greisin aufgesucht, doch als sie das Messer zückte, sprang der Sohn der Besucherin ins Zimmer und erwürgte die Serienmörderin. Seitdem spuke es in dem Haus. Erst vor ein paar Tagen habe er einen Schatten herumschleichen sehen. Gehört hat der Kommissar das schon, aber was macht ihm das aus, wo er es doch mit viel gegenwärtigeren, furchtbaren Schatten zu tun hat.
Vor neun Tagen fand man an der Port de la Chapelle zwei nackte männliche Leichen mit durchschnittenen Kehlen: den vierundzwanzigjährigen Afrikaner Diala Toundé und den zwei Jahre jüngeren Franzosen Didier Paillot. Es sieht zwar nach einem Mord im Drogenmilieu aus, doch Adamsberg fragt sich, warum man bei den beiden Toten Erde unter den Fingernägeln fand, so als hätten sie mit ihren Händen nach etwas gegraben. Wonach haben sie gegraben, das sie das Leben kostete?
Und dann sind da noch die Hirsche: In einer Dorfkneipe hört Adamsberg einer Gruppe von Männern zu, die sich darüber aufregen, dass im Wald von Brétilly ein Hirsch niedergemetzelt wurde. Jemand erschoss ihn, schnitt gegen alle waidmännischen Regeln das Herz heraus und ließ den Kadaver liegen, nicht einmal das Geweih nahm er mit. Ein paar Tage später erhält er eine weitere Meldung über einen niedergemetzelten Hirsch.
Und die Grabschändungen: Gräber von Frauen werden aufgebrochen, aber scheinbar nichts gestohlen...
Was haben tote Hirsche, zwei geschändete Gräber und zwei Ermordete miteinander zu tun?
Gekonnt lässt Fred Vargas wieder ihren skurrilen, bis Weilen surrealistischen Minikosmos auferstehen und entführt den Leser in eine Welt in der die merkwürdigsten Gegebenheiten miteinander verwoben und am Ende in einen logischen Zusammenhang gebracht werden. Man wundert sich auch nicht mehr, dass ausgerechnet eine Katze, genannt Kugel, ihr Frauchen mit ihrer feinen Nase aufspürt.
Ein absoluter Lesegenuss.
Fred Vargas
Die dritte Jungfrau
Aufbau 08/2008
9,99 €