"Ich weiß, untadlige Menschen magst du nicht, aber damit musst du leben. Ja allem Anschein nach ist er ein untadliger Mann und ein zuverlässiger Genosse. Niemand hat einen blassen Schimmer, wo er da reingeraten oder was ihm passiert sein könnte. Ich jedenfalls rechne mit dem Schlimmsten..."
Polizeileutnant Mario Conde wird am Neujahrsmorgen unsanft aus dem Bett geklingelt, mit dem Auftrag einen vermissten hochrangigen Genossen des Industrieministerium zufinden. Als wäre das nicht schon schlimm genug, stellt sich heraus, dass der Vermisste, Rafael Morin, ein ehemaliger Schulkamerad Condes war. Schlagartig kommen die Erinnerungen an die gemeinsame Schulzeit zurück: Der Mann mit der blütenweißen Weste, der zuverlässige Genosse war schon damals ein Musterschüler, der immer das bekam was er wollte - auch Mario Condes große Jugendliebe Tamara. Aber in Rafael Morins perfektem Leben gibt es Risse, die genauer zu untersuchen sich lohnen.
Leonardo Padura kreiert einen Kommissar der von Selbstzweifel gepackt ist, eine Neigung zu exzessiven Saufgelagen, unglücklichen Lieben und sentimentalen Männerfreundschaften hat und eigentlich lieber Schriftsteller als Polizist wäre. Mit ihm lernen wir das Kuba abseits der Touristenströme kennen, lernen die Sehnsüchte und enttäuschten Illusionen, den täglichen Kampf ums Überleben, aber auch die Lebensfreude mancher Inselbewohner kennen. Nicht die Krimistory zeichnet dieses Buch aus, sondern die Gesellschaftskritik des postrevolutionären Kuba. Dabei bewertet Padura nicht, er erzählt einfach und überlässt dem Leser die Beurteilung.
Paduras Romane zeichnen ein melancholisches, liebevolles Porträt Havannas. Der Autor nimmt seine Leser mit auf einen Streifzug durch eine Stadt, deren Pulsschlag jenseits folkloristischer Bilder oder revolutionärer Idealisierung fühlbar wird. (taz/24.05.04/T.Burns)
Leonardo Padura
Ein perfektes Leben
Unions Verlag 2015
8,95 €